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Leseproben

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Sühneleiden Anneliese Michel 6cm

Winfried Zentgraf

Das Sühneleiden
von Anneliese Michel

Der Fall Anneliese Michel

Der Exorzismus der Anneliese Michel steht in keinem Verhältnis zu ihrem Tod, da ihr Leben und Sterben als freiwilliges Sühneleiden aufzufassen ist, dessen Ende die Vollendung dieser Ausnahmeform persönlicher Gottesliebe darstellt. Bei allen Unvollkommenheiten der menschlichen Existenz darf von einem heiligmäßigen Leben ausgegangen werden, das seine endgültige Gestalt in der Anschauung des Schöpfers aller Dinge findet. Ihr Sühneleiden stellt eine folgerichtige Entwicklung dar, das seinen Ausgangspunkt in einem gläubigen Vertrauen zu Gott und seinen Werken hat. Das Problem dieses weltweit Aufsehen erregenden Falles ist nicht das Inerwägungziehen einer Dämonenbeschwörung und deren Durchführung, wenn auch mit unerwartetem Ende, sondern die Annahme dieses von Gott zugelassenen Sühneleidens.
Der Exorzismus in seiner heutigen Form ist ein absolut gängiges Ritual der katholischen Kirche. Exorzismus bedeutet Beschwörung des Teufels, was zumindest einen Glauben an dessen Existenz voraussetzt. Im Fall Anneliese Michel existieren zahlreiche Livemitschnitte, und es grenzt schon an Ignoranz, das Wesenhafte dieser Stimmen als gestellt oder gar von außen hervorgerufen zu bezeichnen. Sinn und Zweck dieser Abhandlung ist einmal ein Rechtfertigungsversuch der Verstorbenen und ihrer Familie gegenüber, andererseits geht es um die (mögliche) Existenz bestimmter Geistwesen, die naturgemäß nicht sichtbar sind, sich nichtsdestoweniger aber in verschiedener Form bemerkbar machen können. Eine rundweg ablehnende Haltung allem Metaphysischen gegenüber rechtfertigt selbstverständlich auch den Glauben an deren Existenz. Es ist nicht das Dämonische im Menschen, das ihn umzubringen droht, sondern es sind reale Kräfte und Wesenheiten, die maßgeblichen Einfluss auf die Gedankenwelt, aber auch den Körper eines Menschen nehmen können. Unter Zulassung Gottes ereignen sich weltweit Vorkommnisse, deren Ursache nicht auf den Menschen allein zurückzuführen ist. Wissenschaftlich geforderte Beweise existieren im naturwissenschaftlichen, empirisch-mathematischen Sinne nicht, da die Initiative der Ereignisse nicht vom Menschen ausgeht. Gott und seine Schöpfung, zu der auch die gefallenen Engel gehören, bedürfen des menschlichen Beweises nicht. Einzig einem hohen Maß an Intoleranz und mangelndem guten Willen ist es zu verdanken, dass sich die Tatsache der Gottes- und Geisterleugnung nicht durch Argumente aus der Welt schaffen lässt. Es bleibt letztendlich das Wort: “Ich will nicht”. Warum, muss jeder noch zu Lebzeiten selber beantworten. Wie die Eschatologie lehrt, bedeutet “ich will nicht (dienen)” den endgültigen existentiellen Zusammenbruch. Hier schließt sich der Kreis, die Dämonen haben ihr Recht bekommen.

Zur Person der Besessenen

Eine Stellungnahme zur Person der Besessenen setzt den Glauben an deren Besessenheit voraus. Anneliese war besessen. Dies bezeugen sowohl die Mitschnitte (s. II, 2), als auch die mehr als eindeutigen Symptome. Es sind viele Bücher über den Unterschied zwischen Epilepsie, Hysterie und wahrer Besessenheit geschrieben worden. Nur Ignoranten wollen sich diesen Unterschieden nicht stellen. Wie kam es zur Besessenheit? Anneliese wurde als Kind im Mutterleib verflucht. Verfluchung (dämonische Obsession) ist ein von außen hineingetragener Vorgang, dem sich das Opfer auf normalem Weg nicht entziehen kann.
Bei allen gegensätzlich lautenden Hypothesen liegt es letzten Endes im Willen Gottes begründet, ob er teuflische Einflüsse zulässt oder nicht. Eine Umsessenheit (circumsessio) ist die Vorstufe einer Besessenheit (obsessio, possessio), wobei die Obsession meist auf okkulte Belastung zurückgeht. Ein Einhergehen mit Krankheiten körperlicher und seelischer Art schließt diese mögliche Tatsache nicht aus. Anzeichen epileptischer Natur (“Zungenbiss”, wie bei Wolff erwähnt) können Folge oder Begleiterscheinung dämonischer Einwirkung sein, aber selten von Dämonen verursacht. Ausschlaggebend für die possessio war die freie Zustimmung Annelieses, für Priester, Jugendliche und ausgewählte Personen leiden zu wollen, was natürlicherweise mit ihrer Erziehung und ihrem Weltbild zusammenhing. Hier auf körperfeindlichen Fundamentalismus schließen zu wollen, greift zu kurz. Anneliese war
wie alle Menschen ein Kind ihrer Zeit. Im katholischen Glauben an die Gnadenwirkungen ihrer Kirche und damit an das Leben und Werk heiligmäßige Vorbilder (Anna Schäffer, Mindelstetten) herangeführt, entwickelte sie sehr früh ein sehr feines Gespür für die Nöte und Ängste ihrer Umgebung und die Gespaltenheit ihrer Zeit. Die Probleme des sogenannten Kalten Krieges gingen an den Wenigsten spurlos vorüber.
Nicht nur die Angst vor einer globalen Katastrophe, sondern insbesondere die noch viel größere Besorgnis um das Seelenheil so vieler Menschen, in erster Linie auf ihr Vaterland bezogen, ließen in ihr diesen Entschluss zur Sühne reifen. Nun tut Gott nichts ohne die freie Zustimmung des Menschen, wenn es sich um so schwerwiegende Entscheidungen handelt. Anneliese gab ihr Jawort zu Ereignissen, die und deren Folgen sie auf keinen Fall abschätzen konnte. Hat der Mensch erst einmal zugestimmt, gibt es unter normalen Umständen kein Zurück mehr. Anneliese bat oft um Linderung bzw. Aufhebung ihrer Leiden, die Folgen waren meist eine Verschlimmerung, nie aber, ohne dass sie darauf vorbereitet wurde.
Neben dem Leben der Besessenheit legte Anneliese ihre Lehramtsprüfung in Würzburg gerade zu dieser Thematik der persönlichen Angst ab, sie thematisierte ihre Ängste im wahrsten Sinne des Wortes. In den Abendstunden im väterlichen Haus in Klingenberg oder im Pfarrhaus in Ettleben trieben die Dämonen dann wieder ihr Spiel. Anneliese konnte bis zuletzt klar und deutlich zwischen Zuständen der Krise und ihrer Aussetzung unterscheiden. Die Lage ging ihrem tragischen Höhepunkt entgegen, als zu erkennen war, dass nach erfolgreicher Austreibung ein “Rest” übrig blieb, der sich über die Person Luzifers bis hin zu einer “legio” (vgl. Mk 5,9; Lk 8,30) erstreckte. Ein erfolgreicher Exorzismus war trotz aller Bemühungen nicht mehr möglich. Die Dämonen schwiegen permanent, ein Verlassen des abgemergelten und geschundenen Körpers war ihnen untersagt. Hier kommt die Frage auf, ob das Leiden der Besessenen womöglich mit einem Leiden der gefallenen Geister in Verbindung gebracht werden kann, da sie sich angeblich vor ihrem “Meister” fürchteten bzw. wider ihren Willen im Innern eines gottgläubigen Menschen, der alle Gnadenmittel seiner Kirche wahrgenommen hatte, verbleiben mussten.
Wie schon gesagt, war das Leben und Sterben Annelieses ein von Gott nicht primär gewolltes, aber umso mehr angenommenes Sühneleiden. Es ist leicht, über Schuld und Sühne nachzudenken. Der leiseste aufrichtige Gedanke eines Gott liebenden Menschen ihm gegenüber kann zu solchen Leistungen führen. Es ist ein Unterschied, ob ich mein Leiden zur Sühne aufopfere oder eigenständig um (noch mehr) Leiden bitte. Anneliese war in diesem Dilemma gefangen. Gott die Ehre zu geben kollidierte mit der unaussprechlichen Angst vor den Attacken der Dämonen. Aus dieser Zwickmühle auf normalem Weg herauszukommen, dazu ist der Mensch zu schwach und zu verletzlich. Das letzte Wort hat in solchen Fällen höchsten Sühneleidens Gott allein. Anneliese war ein Mensch wie alle, jedoch von großer Reinheit und Opfermut. Ich weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, “sich in die Höhle des Löwen zu begeben”. Ob man in ihrer Situation von Heiligkeit sprechen sollte, weiß ich nicht, heroisch und damit heiligmäßig war ihr Dulderpotential jedenfalls. Wie man später sehen wird, bleibt die Heroisierung ein Thema. Im Sinne der Verstorbenen weise ich darauf hin, dass diese Ehre letztendlich Gott allein gebührt. Als dessen Werkzeug kommt ihr und ihrer Familie abschließend eine zumindest moralische Wiedergutmachung zu. .....

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